Die Nachricht kam so überraschend wie überwältigend. Am 11. Januar starb unser Mitglied und unser stellvertretender Vorsitzender Erwin Prochnow. Wir sind immer noch sprachlos und in tiefer Trauer. Unsere Gedanken sind bei seiner Frau, unserer lieben Genossin Margrit Prochnow.
Wir verlieren mit Erwin einen immer sehr engagierten, freundlichen und positiven Menschen und Genossen. Mit diesem Brief an Erwin möchten wir sein Gedenken hochhalten und uns von ihm in Würde verabschieden.
Lieber Erwin,
in deinem Umfeld gab es viele Menschen, denen du wichtig gewesen bist und die sich an dich erinnern werden. Schon deshalb können wir nur ein paar wenige persönliche Worte an dich richten, ohne hier gar den Versuch zu unternehmen, dein Lebenswerk vollständig aufzuzeigen.
Wenn wir an dich denken, dann nicht in erster Linie als Parteimitglied, sondern als guten Freund, der stets mit Rat, aber vor allem größtem persönlichen Einsatz zur Stelle war. Unsere SPD war nur eine deiner vielen Wirkungsstätten, an denen du dich für unsere Gesellschaft eingesetzt hast. Gleichwohl war sie unser gemeinsamer Ort, um mit unseren Vorstellungen von politischer Arbeit den leisen Versuch zu unternehmen, unser Bad Segeberg ein klein wenig lebenswerter zu machen. Du warst für uns ein Glücksfall, als du nach deinen ehrenamtlichen Stationen in Ostrohe und Büsum nach eurem Umzug nach Bad Segeberg auch hier „es nicht lassen konntest“, dich ehrenamtlich zu betätigen. Wenn ich mich recht erinnere, führte dich einer der ersten Wege in deiner neuen Stadt in das Bad Segeberger Rathaus, und auch ich hatte die Ehre, dich noch vor deinem Wirken für die SPD beim Empfang zur Einweihung des damals neuen Familienzentrums in der Bad Segeberger Südstadt kennenzulernen. Du warst offen, interessiert und engagiert und zuletzt derart mit unserer Stadt verwo-ben, dass du ins Ortsbild gehörtest und unser liebes Mitglied Gisela Knütter mir sagte, in ihren Augen seiest du ein „alter Segeberger“.
Kommen wir zum Thema Alter, so fielen bei dir das Alter, was in deinem Pass eingetragen war und dein eigentliches (geistiges, körperliches) Alter weit auseinander: es ist nicht schwer zu sagen, dass du zeitlebens der Biologie ein Schnippchen geschlagen hast, erinnere ich mich daran, wie du nachts im Bundestagswahlkampf dich auf dein Fahrrad geschwungen hast, um bei klarem Mondlicht noch ein paar Flyer zu verteilen oder wie wir uns telefonisch zu später Stunde austauschten, nachdem du schon am Vorabend stets die Lokalzeitung in digitaler Variante gelesen hattest, um schon etwas früher informiert zu sein.
Herausforderungen und Probleme haben dich nie verschreckt, du sahst diese eher als Gelegenheit, mit anzupacken. Das machte dich schon immer aus. Und so hast du auch nicht lange gezögert bei der Frage, ob du bereit wärest, Anfang 2020 unser neuer stellvertretender Vorsitzender zu werden, und das trotz turbulenter Zeiten in unserem Ortsverein. Du warst gern unkonventionell und für jede Schandtat zu haben. Und als wir Anfang 2020 mit den Einschränkungen durch Corona-Regierungsmaßnahmen zu tun hatten, scharrtest du mit den Hufen, ich zitiere aus einer Mail von dir aus dem April 2020: „[…] will ich nicht verschweigen, dass ich mir mitunter vorkomme wie „warten und nicht abgeholt“, d. h. man hat ein kleines Wahlamt, aber es gibt derzeit keine Bedarfe für Aktivitäten. Fast ähnlich dem Fußballspieler der Bundesliga, in der derzeit keine Spiele stattfinden.“
Aus dem „derzeit“ wäre ohne beherztes Tätigwerden ein Dauerzustand geworden und so überraschte es nicht, dass auch du ein Verfechter unseres mittlerweile etablierten Konzepts wurdest, Freiluftveranstaltungen in der Badeanstalt anzubieten. Auch dort warst du stets einer der ersten, der den Platz betrat und der letzten, die zum Veranstaltungsende gingen.
Du warst sehr kommunikativ, was nicht nur dein beeindruckender Fleiß beim Schreiben von Leserbriefen belegt – als wir über dich sprachen, wurde erst deutlich, dass allein jeder aus unserem Vorstand persönlichen und regen Kontakt hatte – und wenn sich nur eine liebe E-Mail im Postfach fand.
Uns eint das Interesse für Kultur – auch in der Hinsicht warst du ein großer Unterstützer; nicht zuletzt brachtest du dich auch privat beim gemeinsamen Musizieren im Propsteialtenheim in der Südstadt ein – natürlich, nachdem du auch lateinische und englische Weihnachts-Liedtexte erlernt hattest. Mit einem Schmunzeln ergänztest du in einer deiner Mails vor Weihnachten: „Gerade sang Semino Rossi den Little Drummer Boy, m. E. nicht ganz so gut, wie wir es vorgetragen haben!“.
Parteiprominenz war dir nicht fremd, wie hier bei unseren Zusammentreffen mit Kevin Kühnert und Björn Engholm.
Aber auch den parteiübergreifenden Dialog hast du mitgestaltet wie kein anderer und warst bei unserer überparteilichen Zusammenarbeit am Runden Tisch der Bad Segeberger Parteien ganz weit vorn mit dabei, so zuletzt etwa bei unserem Ackerkino, welches du auch in zweiter Auflage mitgestaltet hast. Schon daher liegt es nahe, dieses Engagement auch in Erinnerung an dich fortzuschreiben.
Eines deiner größeren Themen war auch die Natur und Umwelt, hier nur sinnbildlich mit Blick auf unsere Beteiligung am Stadtgarten 2021. Du betätigtest dich als „Müllsammler“ und erklärtest das Radfahren zum Lebensmotto. Und als du in deiner Ostroher Bürgermeisterzeit die Gelegenheit nutztest, in der Kirche zu predigen, warst du mit dem Luther-Spruch „Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.“ zu vernehmen. Politisch immer wieder war mit dir das Thema „Kurhausstraße“ und ihre Verbesserung daher im Gespräch, wo wir auch oft – etwa beim Thema Pkw-Verkehr nicht einer Meinung waren. Aber das zeichnete dich aus – ruhiges Diskutieren auch in kontroversen Themenbereichen.
Den Bundestagswahlkampf 2021 gestaltetest du aktiv mit, wie bei unserer Rosenverteilung, wiederum als erster Mann am Platz, der schon einmal die Lage sondierte. Nach alledem überrascht es auch nicht, dass du auch im Oktober 2021 noch ein weiteres Mal bereit warst, dem Vorstand als stellv. Vorsitzender anzugehören. Im Nachhinein betrachtet war diese Zeit mit dir im aktuellen Vorstand kurz, aber nicht weniger erlebnisreich als die Zeit zuvor, warst du bis zuletzt mit deiner Energie bei uns.
Gerade diese positive Energie werden wir auch in Erinnerung behalten; es gab wenig Anlässe, bei denen man dich nicht mit einem Lachen im Gesicht sehen konnte.
Wir blicken mit dir zurück auf eine schöne Zeit, bei der Politik vor allem der Anlass war, zusammenzukommen und sich auszutauschen. Für deinen außergewöhnlichen Einsatz für unsere Gemeinschaft, aber vor allem für deine persönliche Verbundenheit danken wir dir sehr. Wir werden dich vermissen.
Deine Freunde
Reinhard und Magnus
